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1. Einleitung

Wie bei den CSI-Kollegen aus dem Fernsehen geht es auch in der Digitalen Forensik um die Identifizierung, Sicherung, Analyse und Präsentation von Beweismitteln. Das Besondere an diesen Beweisen ist, dass sie aus der digitalen Welt stammen – also von Geräten und Systemen wie Computern, Smartphones, Netzwerken und Cloud-Diensten. Die Bedeutung der digitalen Forensik wächst stetig, da immer mehr kriminelle Aktivitäten und Sicherheitsvorfälle digitale Spuren hinterlassen.

Der Artikel zielt darauf ab, einen Einblick in diese faszinierende Welt zu geben. Er beleuchtet die Geschichte und Entwicklung des noch recht neuen Fachgebiets, erklärt grundlegende Konzepte und Begriffe und stellt die verschiedenen Methoden und Techniken vor, die in der digitalen Forensik zum Einsatz kommen. Keinesfalls unter den Tisch fallen sollen dabei auch heikle und offene Fragen sowie ethische und rechtliche Grenzen.

2. Geschichte der Digitalen Forensik

Anfänge und Entwicklung

Die digitale Forensik hat ihre Wurzeln in den 1980er Jahren, als Computer erstmals in einem signifikanten Maßstab für kriminelle Aktivitäten genutzt wurden. In den Anfangsjahren handelte es sich lediglich um eine Nischendisziplin, die sich hauptsächlich mit der Sicherung und Analyse von Daten auf Festplatten beschäftigte.

Mit dem Aufkommen des Internets und der Vernetzung von Computern in den 1990er Jahren erweiterte sich das Spektrum der digitalen Forensik erheblich. Cyberkriminalität und Hacking-Aktivitäten nahmen zu, was die Entwicklung spezialisierter Techniken und Werkzeuge zur Untersuchung digitaler Verbrechen erforderlich machte.

Wichtige Meilensteine

1990er Jahre: Standardisierung und Werkzeuge

1995 wird die International Organization on Computer Evidence (IOCE) gegründet, die erstmals internationale Standards für die Erhebung und Verarbeitung digitaler Beweise etablierte.

In der Folge werden erste kommerzielle und Open-Source-Tools speziell für die forensische Anwendungen entwickelt, darunter EnCase und The Sleuth Kit.

2000er Jahre: Professionalisierung und Spezialisierung

Die digitale Forensik wird als akademisches Fach anerkannt, es entstehen spezialisierte Studiengänge und Zertifikate.

In den USA wird 2001 der umstrittene PATRIOT Act verabschiedet, der durch die erweiterten Befugnisse für Strafverfolgungsbehörden neue Möglichkeiten zur Untersuchung von Cyberkriminalitätsfällen mit sich bringt.

Erste Leitlinien und Standards wie die Scientific Working Group on Digital Evidence (SWGDE) Guidelines werden veröffentlicht.

2010er Jahre: Big Data und Cloud-Forensik

Die zunehmende Nutzung von Cloud-Diensten und Big Data stellt neue Herausforderungen dar, die in der Forensik von Cloud-Infrastrukturen und verteilten Systemen münden. Daneben rücken auch Smartphones und Tablets zunehmend in den Fokus der IT-Ermittler.

Vermehrte Forschungsanstrengungen und Konferenzen gibt es auch zu weiteren neuen Themen wie IoT-Forensik (Internet of Things).

2020er Jahre: KI und Automatisierung

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen werden zur Unterstützung forensischer Analysen angewendet, beispielsweise zur Mustererkennung und zur Automatisierung bestimmter Analyseschritte.

Kryptowährungen und Blockchain-Forensik gewinnen an Bedeutung, um Transaktionen und Cyberkriminalität im Zusammenhang mit digitalen Währungen zu verfolgen.

3. Grundlagen der Digitalen Forensik

Begriffe und Konzepte

Einen kompletten Studiengang kann und will unser Artikel natürlich nicht ersetzen. Um mitreden zu können, sollte man aber zumindest die folgenden Begriffe und Konzepte kennen. CSI-Fans werden merken: Auch hier gibt es wieder eine ganze Reihe von Ähnlichkeiten zur klassischen, “analogen” Forensik.

Digitale Beweise: Jegliche Informationen oder Daten, die auf digitalen Geräten gespeichert sind und in rechtlichen Verfahren als Beweismittel dienen können.

Aufbereitung und Rekonstruktion des Datenmaterials: Techniken zur Tiefenanalyse von mobilen Endgeräten, der  Wiederherstellung von externen Speichermedien (HDD) um die gewonnenen Daten anschließend in die IT-Forensische Datensammlung zu integrieren.

Timeline-Analyse: Die Rekonstruktion von Ereignissen auf Basis der zeitlichen Abfolge digitaler Aktivitäten.

Forensische Sicherung: Der Prozess des Erstellens einer genauen Kopie digitaler Daten, ohne diese zu verändern, um die Integrität der Beweise zu gewährleisten.

Chain of Custody (zu Deutsch "Beweismittelkette" oder "Sicherungskette"): Bezeichnet den dokumentierten und lückenlosen Nachweis der Verwahrung, Kontrolle, Aufbewahrung und Übertragung von Beweismitteln. Ziel ist es, die Integrität und Authentizität der Beweismittel zu gewährleisten, indem jeder Schritt im Umgang mit den Beweismitteln genau protokolliert wird. Dies ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Beweismittel im Gerichtsverfahren anerkannt werden und vor Gericht standhalten können.

4. Methoden und Techniken

Datensicherung

Digitale Forensiker beginnen eine neue Ermittlung immer mit demselben Schritt wie auch ihre “analogen” Kolleginnen und Kollegen: der Datensicherung. Gemeint ist damit das Erfassen und Sichern digitaler Beweise, ohne deren Integrität zu beeinträchtigen. Zu den gängigen Techniken und Technologien gehören.

Imaging

Erstellen einer bitgenauen Kopie eines digitalen Datenträgers, um eine exakte Replik der Originaldaten zu haben. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Originaldaten vor Manipulation oder Beschädigung geschützt sind.

Write-Blocker

Write-Blocker sind Geräte, die verhindern, dass Daten auf einem Speichermedium verändert werden, während darauf zugegriffen wird. Auch hier geht es wieder darum zu gewährleisten, dass die Beweise unberührt bleiben.

Datenanalyse

Nach der Sicherung der Daten erfolgt die Analyse, bei der die gesicherten Daten auf relevante Informationen untersucht werden. Hierzu werden verschiedene Techniken verwendet.

Dateisystemanalyse

Untersuchung des Dateisystems, um versteckte, gelöschte oder verschlüsselte Dateien zu identifizieren.

Log-Analyse

Auswertung von Protokolldateien (Logs) mit dem Ziel, Aktivitäten und Ereignisse nachzuvollziehen. Diese Technik kann helfen, die Abfolge von Ereignissen zu rekonstruieren und verdächtige Aktivitäten zu identifizieren.

Keyword-Suche

Gerade auf großen Datenträgern stellt die Suche nach einzelnen relevanten Dateien oft die sprichwörtliche Suche im Heuhaufen dar. Helfen können dabei passend zum Fall und den spezifischen Umständen gewählte Suchworte.

Registry-Analyse

Untersuchung der Windows-Registry, um Meta-Informationen über installierte Software, Benutzeraktivitäten und Systemkonfigurationen zu erhalten.

Datenwiederherstellung

Sollten wichtige Daten gelöscht, beschädigt oder verschlüsselt sein, kommen Techniken der Datenwiederherstellung zum Einsatz. Die IT-Forensiker nutzen dafür unter anderem Methoden und Werkzeuge, die auch in der professionellen Datenrettung Anwendung finden.

Dateirestaurierung

Nutzung spezialisierter Software, um gelöschte Dateien wiederherzustellen.

Rohdatenanalyse

Analyse von Rohdaten auf den Speichermedien, um Fragmente gelöschter Dateien zu finden und wieder zusammenzusetzen.

Entschlüsselung

Einsatz von Kryptografie-Tools, um verschlüsselte Daten zu entschlüsseln und zugänglich zu machen.

Timeline-Analyse

Die Timeline-Analyse ist eine Methode, die darauf abzielt, die zeitliche Abfolge von Ereignissen zu rekonstruieren. Dies erfolgt durch die Zusammenstellung und Analyse von Zeitstempeln aus verschiedenen Quellen, wie z.B. Dateisystemen, Logs und Metadaten. Diese Technik hilft dabei, ein vollständiges Bild der Ereignisse zu erstellen und mögliche Zusammenhänge oder Anomalien zu identifizieren.

Netzwerkforensik

Die Netzwerkforensik befasst sich mit der Überwachung und Analyse von Netzwerkverkehr, um verdächtige Aktivitäten zu identifizieren. Zu den Techniken gehören:

Packet Capture

Aufzeichnung und Analyse von Netzwerkpaketen, um verdächtige Kommunikation und Datenübertragungen zu identifizieren.

Intrusion Detection Systems (IDS)

Einsatz von Systemen zur Erkennung von Eindringversuchen und anderen sicherheitsrelevanten Ereignissen im Netzwerk.

Traffic Analysis

Untersuchung des Netzwerkverkehrs, um Muster und Anomalien zu erkennen, die auf bösartige Aktivitäten hinweisen könnten.

Diese Methoden und Techniken bilden das Rückgrat der digitalen Forensik. Zusammen mit vielen weiteren Ansätzen und Werkzeugen ermöglichen sie es Ermittlern, der Wahrheit auf die Spur zu kommen.

5. Werkzeuge der Digitalen Forensik

Ohne Wattestäbchen, Fingerabdruckpulver und Beweismittelbeutel gehen Gil Grissom & Co in CSI nie aus dem Haus. Ähnlich unersetzliche Werkzeuge gibt es auch für den digitalen Bereich.

Software-Tools

In der digitalen Forensik kommt eine Vielzahl spezialisierter Software-Tools zum Einsatz, die den Ermittlern bei ihrer Arbeit helfen. Zu den bekanntesten und am häufigsten verwendeten Programmen gehören:

EnCase: Ein leistungsstarkes forensisches Tool, das umfassende Funktionen zur Datensicherung, Analyse und Berichterstellung bietet. Es wird häufig in Strafverfolgungsbehörden eingesetzt, findet aber auch in großen Unternehmen Verwendung.

FTK (Forensic Toolkit): Ein weiteres weit verbreitetes Tool, das eine breite Palette an Funktionen für die forensische Sicherung und Analyse von Daten bietet. Es zeichnet sich durch seine leistungsfähige Indizierungs- und Suchfunktion aus.

Autopsy: Eine Open-Source-Software für digitale Forensik, die eine benutzerfreundliche Oberfläche und zahlreiche Module für die Analyse von Dateien, E-Mails, Internetverläufen und mehr bietet.

Wireshark: Ein Netzwerkprotokoll-Analysetool, das umfangreiche Funktionen zur Überwachung und Analyse von Netzwerkverkehr bietet. Es wird häufig zur Untersuchung von Netzwerksicherheitsvorfällen verwendet.

Volatility: Ein Framework zur Analyse von Speicherabbildern, das es ermöglicht, Informationen aus dem Arbeitsspeicher eines Computers zu extrahieren und zu analysieren. Es ist besonders nützlich zur Untersuchung von Malware und Rootkits.

Hardware-Tools

Neben Software-Tools spielen auch spezialisierte Hardware-Technologien in der digitalen Forensik eine große Rolle. Neben den oben bereits vorgestellten Write-Blockern sind das zum Beispiel:

Forensische Workstations: Spezialisierte Computer, die für die Durchführung von digitalen forensischen Analysen optimiert sind. Sie sind mit leistungsstarker Hardware und forensischer Software ausgestattet, um große Datenmengen schnell und effizient zu verarbeiten.

Mobile Device Forensics Kits: Spezialisierte Kits, die Werkzeuge und Software zur Sicherung und Analyse von Daten auf Mobilgeräten wie Smartphones und Tablets enthalten. Diese Kits ermöglichen es, Daten von verschiedenen Mobilgeräten und Betriebssystemen zu extrahieren.

Faradaysche Käfige: Geräte, die elektromagnetische Signale blockieren, um sicherzustellen, dass drahtlose Geräte während der Untersuchung nicht aus der Ferne manipuliert werden können. Sie sind besonders nützlich bei der Sicherung von Mobilgeräten und drahtlosen Speichermedien.

6. Herausforderungen und Grenzen der Digitalen Forensik

Technische Herausforderungen

Die rasante Entwicklung der Technologie bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die digitale Forensik mit sich. Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung von Hard- und Software befinden IT-Forensiker sich in einem nie endenden Wettlauf mit der Zeit. Für jede neue technologische Herausforderung brauchen sie auch neue Antworten.

Datenvolumen

Die Menge der zu analysierenden Daten wächst exponentiell. Um dieser Entwicklung Herr zu werden, müssen auch die Methoden und Werkzeuge der Ermittler immer effizienter und leistungsfähiger werden.

Hinzu kommt, dass mit der wachsenden Anzahl vernetzter Geräte (Internet of things, Smart Homes etc.) nicht nur das Datenvolumen steigt, sondern es auch immer mehr potenzielle Beweismittelquellen gibt, die analysiert werden müssen.

Cloud Computing

Daten werden zunehmend nicht mehr auf physischen Datenträgern, sondern in der Cloud gespeichert, was die Sicherung und Analyse digitaler Beweise erschwert. Der Zugriff auf diese Daten erfordert oft internationale Kooperationen und rechtliche Genehmigungen.

Verschlüsselung

Die zunehmende Nutzung von Verschlüsselungstechnologien erschwert den Zugang zu digitalen Beweisen. Immer öfter müssen die Ermittler Daten zunächst aufwendig entschlüsseln, bevor sie verwendet werden können.

Rechtliche Herausforderungen

Natürlich arbeiten auch IT-Forensiker nicht in einem rechtsfreien Raum, sondern müssen sich innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens bewegen. Das ist oft leichter gesagt als getan, denn auch dieser Rahmen ist in einem stetigen Wandel begriffen.

Jurisdiktionskonflikte

Digitale Beweise können über Ländergrenzen hinweg verteilt sein, was zu Jurisdiktionskonflikten und unklaren Zuständigkeiten führt. Unterschiedliche Datenschutzgesetze und rechtliche Anforderungen können den Zugang zu Beweisen erschweren.

Datenschutzgesetzgebung

Gesetze wie die DSGVO legen strenge Anforderungen für den Umgang mit personenbezogenen Daten fest, um die es in der IT-Forensik vornehmlich geht. Ermittler müssen sicherstellen, dass sie diese Gesetze einhalten.

Beweismittelkette

Die Einhaltung einer lückenlosen Beweismittelkette ist entscheidend für die Zulässigkeit von Beweisen vor Gericht. Jede Unterbrechung oder Unregelmäßigkeit kann dazu führen, dass Beweise nicht anerkannt werden.

Ethische Herausforderungen

Ethische Überlegungen sind seit den Anfängen der Disziplin in den 1980ern ein zentraler Aspekt der digitalen Forensik. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Frage, welche Maßnahmen im konkreten Fall angemessen sowie moralisch und rechtlich vertretbar sind.

Privatsphäre

Die Arbeit der Ermittler kann tief in die Privatsphäre der betroffenen Personen eingreifen. Es gilt deshalb immer, das Recht auf Privatsphäre nicht aus den Augen zu verlieren und nur die notwendigsten Daten zu analysieren.

Verhältnismäßigkeit

Die Maßnahmen zur Sicherung und Analyse digitaler Beweise müssen verhältnismäßig sein. Es muss also eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Untersuchung und den potenziellen Eingriffen in die Rechte der Betroffenen erfolgen.

Transparenz und Verantwortlichkeit

Ermittler müssen ihre Methoden und Vorgehensweisen transparent gestalten und jederzeit für ihr Handeln Rechenschaft ablegen können. Dies stärkt das Vertrauen in die forensischen Untersuchungen und die resultierenden Beweise.

Fairness

Bei jeder digitalen Ermittlung muss es oberstes Ziel sein, fair und unparteiisch zu agieren. Bereits der Verdacht der Voreingenommenheit kann sich negativ auf die Beweiskraft der Funde und einen etwaigen Prozess auswirken.

7. Fazit

Die digitale Forensik steht vor einer Vielzahl komplexer Herausforderungen, die von technologischen Fortschritten über rechtliche Hürden bis hin zu ethischen Überlegungen reichen. Erfolgreiche Ermittlungen erfordern nicht nur spezialisierte Werkzeuge und Techniken, sondern auch ein tiefes Verständnis der rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen. Trotz der Schwierigkeiten bleibt die digitale Forensik ein essenzielles Instrument zur Aufklärung von Straftaten in unserer zunehmend digitalisierten Welt.

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Digitale Forensik: CSI für Festplatten und Smartphones
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